Eisernes Buch
der Gemeinde Lobberich (1929)

- Bewirtschaftung von Bedarfsartikel in aller Art. -

eisernes Kreuz


Wie anderwärts, herrscht auch in Lobberich Anfang 1917 ein so großer Mangel an Kohlen und Heizmaterial überhaupt, dass namentlich bei der strengen Kälte die Zustände in manchen Haushaltungen höchst beklagenswert waren. Sogar die Zubereitung des Essens war vielen Familien nicht möglich. Von einer regelmäßigen Beheizung der Wohnung konnte überhaupt nicht geredet werden. Einige Betriebe mussten Wochen lang wegen Kohlenmangel stillgelegt werden. Am 15. April 1917 stockte bereits die Zufuhr an Kohlen nahezu vollständig. Infolgedessen war kaum noch eine Haushaltung vorhanden die über Kohlenvorrat verfügte. es waren 1500 Haushaltungen auf die Kohlenverteilungsstelle angewiesen. Zur Zeit der bittersten Kälte in Winter 1916/17 gelang es zur Not, jeder Haushaltung alle zwei Wochen einen Zentner Kohlen zu liefern. im April 1917 konnten noch kaum alle drei Wochen ein Zentner Kohlen abgegeben werden.
Am 20. Juli 1917 erschien eine Verordnung des Reichkommissars für Kohlenverteilung über die vorläufige Regelung der Brennstoffverfolgung. Auf Grund dieser Verordnung erließ der Landrat des Kreises am 30. August 1917 eine Verfügung, welche bestimmte: „Die Versorgung der Angehörigen des Kreises mit Brennstoffen bleibt grundsätzlich den berufsmäßigen Kohlehändlern überlassen.
Die Ausfuhr von Brennstoffen aus dem Kreise ist verboten. Sämtliche Händler des Kreises in sind verpflichtet alle bei Ihnen vom 1. September 1917 ab eingehenden Brennstoffmengen wöchentlich dem zuständigen Bürgermeister anzumelden. Der Bürgermeister bestimmten Tag der Woche, an dem die Meldung zu erstatten ist.
Die Bürgermeister haben zum Samstag jeder Woche eine Zusammenstellung der bei Ihnen eingehenden Kohlenanmeldungen dem Kreiskommunalverbandes einzureichen.
Sämtliche Händler, die Brennstoffe in den Kreis einführen, sind verpflichtet, einen Teil und zwar bis auf weiteres 1/3 aller bei Ihnen bei Ihnen lagernden und eingehenden Brennstoffe zur Verfügung des Bürgermeisters zu halten.
Die Händler dürfen Brennstoffe an die Verbraucher nur gegen Brennstoffkarte abgeben. Die Brennstoffkarte besteht aus einer stammkarte mit einzelnen Abschnitten. Jeder Abschnitt gilt für eine Brennstoffeinheit. Die Brennstoffeinheit wird vom Bürgermeister festgesetzt. Die Brennstoffkarten werden durch den Bürgermeister ausgegeben und berechtigen zum Bezug von Brennstoffen nach Maßgabe der verfügbaren Mengen.“
Trotz dieser Regelung war die Kohlenversorgung der Gemeinde Lobberich wenig befriedigend, da die Zechen die aufgegebene Menge nicht lieferten.
Um der Bürgerschaft 100in etwa zu helfen, kaufte die Gemeinde im Herbst 1918 eine größere Menge Brennholz, welche verteilt wurde. zu dieser Zeit stand fest, dass der Gemeinde kaum die Hälfte der Kohle überwiesen worden war, die Lobberich erhalten sollte.
Zur Durchführung der Kohlenversorgung richtete die Gemeindeverwaltung im Jahre 1917 eine Ortskohlenstelle ein. Die Leitung dieser Stelle übernahm Herr Heinrich Stiels, der bis zur Aufhebung der öffentlichen Kohlenbewirtschaftung diese Stelle ingeradezu mustergültiger Weise ehrenamtlich bekleidete.

Petroleum.

Durch den Krieg war die Einfuhr von Petroleum, dass in Frieden lediglich aus dem Ausland der bezogen wurde, zur Unmöglichkeit geworden. Die immer reiche lagernden Bestände waren sehr schnell verbraucht und es trat bald eine große Knappheit an Beleuchtungsstoffen ein. Die Erwartung der Regierung auf die Anlieferung von Petroleum aus Österreich- Ungarn erfüllte sich nur in geringem Maße. Infolgedessen musste die Regierung zu den schärfsten Maßnahmen schreiten, um den Verbrauch von Beleuchtungsmittel nach Möglichkeit ein zu dämmen. So ordnete das stellvertretende Generalkommando in Koblenz am 1. Dezember 1915 an, dass nur kleine Weihnachtsbäume zum Verkauf zugelassen, damit der Kerzenverbrauch eingeschränkt würde. Der Weihnachtsbaum durfte von der Spitze bis zum Ende des Stammes nicht mehr als 1,50 Meter messen.
Die Zuweisung von Petroleum war sehr gering.
Im Monat November 1916 gelangten in den Handel nur 55 von 100 derjenigen Menge, die im August 1913 zur Verteilung gebracht worden war. um die Ersparnis an Brennstoffen und Beleuchtungsmitteln zu erreichen, wurde unter dem 18. Dezember 1915 folgendes verordnet:
„Jede Art von Lichtreklame ist verboten. alle offenen Verkaufsstellen sind um 7 Uhr, sonnabends um 8 Uhr zu schließen. ausgenommen sind nur Apotheken und Verkaufsstellen, in denen der Verkauf von Lebensmitteln oder von Zeitungen als Haupterwerbungszweig betrieben wird. Die Schank- und Wirtschaften, sowie Vereins- und Gesellschaftsräume sind um 10 Uhr abends zu schließen. die Beleuchtung der Schaufenster ist auf das unbedingt erforderliche Maß einzuschränken. Die Außenbeleuchtung von Schaufenstern und von Gebäuden zu gewerblichen Zwecken ist verboten.“

Durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom September 1916 wurde der Absatz von Petroleum zu Leuchtzwecken verboten. die Petroleum Zuweisung erfolgte fortan auf Grund von Petroleumkarten. anspruchsberechtigt war nur solche Personen, die weder Gas noch elektrisches Licht hatten. Ein Kampf um Petroleum entbrannte hier wie wohl auch an anderen Orten in den Geschäften, die wieder in den Besitz dieser unentbehrlichen Flüssigkeit gekommen waren. Die Käufer und Käuferinnen stürmten solche Geschäfte und murrend verließen sie das Ladenlokal, wenn der Vorrat nicht reichte und sie leer ausgehen mussten. wie ein Lauffeuer verbreitet es sich jedes Mal die Nachricht, wenn ein Geschäft Petroleum erhalten hatte und in kurzer Zeit strömten die Leute mit Kännchen und Kannen herbei, um die notwendigen Bedarf einzukaufen.
Die Verordnung über die Höchstpreise für Petroleum trat am 15. Juli 1915 in Kraft. danach durften im Großhandel für 100 kg. Petroleum nicht mehr als 30 Mark gefordert werden, im Kleinhandel durfte der Preis 32 Pfennig für das Liter nicht übersteigen. wurde das Petroleum aber in das Haus geliefert, so stellte sich der Höchstpreis auf 34 Pfennig.

Der Minister für Handel und Gewerbe sah sich am 25. März 1917 gezwungen, die Ausgabe von Petroleum an Händler vom 1. April 1917 ab einzustellen und die Abgabe von Petroleum an Verbraucher für die Zeit vom 1. Mai 1917 ab zu verbieten. für die Deckung des behördlichen und gewerblichen Bedarfs wurde allerdings Sorge getragen. da der Übergang zur Sommerzeit im Jahre 1917 bereits am 15. April erfolgte, konnte erwartet werden, dass die frühzeitigere Einstellung der Petroleumverteilung zu nennenswerten Beeinträchtigungen des Wirtschaftslebens nicht führen würde. für den Monat Dezember 1917 kamen 29 vom hundert der Mengen vom August 1913 an die Petroleumhändler zur Ausgabe. Im Herbst 1917 gestalteten sich die Aussichten für die Versorgung der deutschen Zivilbevölkerung  mit Leuchtöl in den kommenden Wintermonaten viel ungünstiger als in den beiden vorausgegangenen Jahren. die vorhandenen Vorräte blieben beträchtlich hinter den Mengen zurück, die in der gleichen Zeit des Vorjahres auf Lager waren. Unter diesen Verhältnissen stand für den Winter 1917 der deutschen Bevölkerung nur etwa die Hälfte der Mengen zur Verfügung, die im Jahre 1916 zugeteilt worden war. vom 16. September 1917 ab durfte erst wieder Petroleum zu Leuchtzwecken an die Bevölkerung verkauft werden. infolge der Beförderungsschwierigkeiten der Petroleumzufuhren aus Österreich- Ungarn und Rumänien konnte im Februar 1918 überhaupt kein Petroleum mehr vom Reiche an die Händler geliefert werden. für den Winter 1917/18 ließ die Zentralstelle für Petroleumverteilung in Berlin 2 Millionen Sparlämpchen herstellen als Ersatz für Petroleum. Im Winter 1917/18 standen da im Kreise Kempen im ganzen nur 5 907 Liter Petroleum zur Verfügung. Zum Ausgleich erhielt der Kreis monatlich 9722 kg Carbid und 14 600 Stück Parasinkerzen. die Verteilung auf die einzelnen Gemeinden erfolgte entsprechend der Einwohnerzahl. Eine Kerze kostete 23 Pfennig.
Die Ausgabestelle für Carbid befand sich in dem Geschäft Franz Böken, Hochstraße. Die Ausgabe erfolgt  auf Grund einer Kundenliste.
Anfang November 1917 musste die Firma Niedick wegen Kohlenmangel die Abgabe von Leuchtgas vorübergehend einstellen. In dem genannten Monat erhielt jede Familie 3/4 Liter Petroleum. Diese Menge musste für den ganzen Winter ausreichen. Erst im Februar 1918 erhielt die Gemeinde wieder Petroleum, desgleichen im Monat März. Für die Verteilung dieser geringen Menge kamen in Frage 670 Privathaushaltungen, 116 Hausgewerbetreibende und 285 landwirtschaftliche Betriebe. Die Bevölkerung wurde auf das Eindringlichste ersucht, in dem Verbrauch von Leuchtstoffen größte Sparsamkeit zu üben und, wenn eben möglich, Anschluss an das elektrische Netz oder an die Gasleitung zu nehmen. Die Anträge auf Legung von Gasanschlüssen waren in Folge dieses Ersuchens so zahlreich, das allen Anträgen nicht entsprochen werden konnte, weil das hierzu notwendige Material fehlte.
Die Petroleumabgabe erfolgte in den Geschäften von Jakobs, Kother, Janssen, Klassen, Nonninger, Lenssen, Küppers und Inderbieten.
Der Mangel an Petroleum machte sich auch nach Kriegsschluss noch längere Zeit bemerkbar.

Gas.

Infolge der unzulänglichen Kohlenversorgung konnte es nicht ausbleiben, dass die Gasversorgung der Gemeinde ganz erheblich eingeschränkt werden musste. Es wurde deshalb während der Dauer des Krieges in der Regel nur Gas abgegeben in den frühen Morgenstunden, in den Mittagstunden und in den Abendstunden. Vorübergehend musste das Gaswerk wegen Kohlenmangel wiederholt stillgelegt werden.

Benzin.

Bekanntmachung.

Die Freigabe von Benzin, Benzol und sonstigen leicht siedenden Petroleum- und Teeröl- Destillaten, die für den Betrieb von Explosionsmotoren geeignet sind, darf nur in beschränktem Umfang an die nachstehend bezeichneten Verbraucher stattfinden:
a) Feuerwehren,
b) Krankenhäuser und Ärzte,
c) Fabriken und sonstige Betriebe, die Heereslieferungen auszuführen haben, soweit sie hierfür Benzin oder Benzol nicht entbehren können, und
d) Bergwerke zur Speisung der Wetter-und Sicherheitslampen. Den Besuchen um Freigabe muss eine ortspolizeiliche Bescheinigung über die Richtigkeit der gemachten Angaben beigefügt sein. die Beurteilung der Notwendigkeit der Freigabe bleibt jedoch ausschließlich den stellvertretenden Generalkommandos, Festungs- und Gouvernments und Kommandanturen überlassen. Der nur einmal gültige Freigabeschein muss auf eine bestimmte Menge lauten. Etwa bereits ausgestellte unbeschränkte Freigabescheine oder Mengenabgaben sind umgehend einzuziehen.
Die Freigabe von Betriebsstoffen für landwirtschaftliche Motoren wird besonders geregelt.

Lobberich, den 5. September 1914.
Der Bürgermeister.

Seife.

Im Juli 1916 wurde verordnet, dass die Abgabe von Seife, Seifenpulver und anderen Fett haltigen Waschmitteln an Selbstverbraucher nur gegen Vorlage wer in Verbindung mit der Zuckerkarte zur Ausgabe gelangenden Seifenkarte erfolgen dürfen. Die an einer Person in einem Monat abgegebene Menge durfte 100 Gramm Feinseife (Toilettenseife und Rasierseife) sowie 500 g andere Seife oder Seifenpulver usw. nicht übersteigen. Die zuständige Behörde war befugt, Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Zahntechnikern, Hebammen und Krankenpfleger auf Antrag einen Ausweis zu erteilen, demzufolge an den Inhaber in einem Monat Feinseife bis zum doppelten Betrag gilt der vorgesehenen Menge abgegeben werden durfte.
Später wurde eine einheitliche Reichsseifenkarte ausgegeben.

Leder und Schuhwaren.

Die deutschen Truppen und die Truppen unsere Verbündeten hatten naturgemäß einen sehr großen Bedarf an Leder. Infolgedessen musste das vorhandene Leder bis auf kleine Mengen der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellt werden. In der Bevölkerung machte sich daher der Mangel an Leder bald fühlbar.
Zur Linderung der Ledernot wurden überall versuche mit Ersatzsohlen gemacht. wenn auch leider das gegebene Material für Schuhwerk ist, so musste man sich doch nach und nach mit dem Gedanken abfinden, dass die Kriegsverhältnisse auf die Dauer zum Gebrauch von Ersatzzeug zwangen. dank der Fortschritte, die die Industrie im Laufe der Zeit gemacht hatte, kamen bald gute Ersatzsohlen, aus Lederresten und Gummi hergestellt, auf den Markt. Die Lobbericher Gemeindeverwaltung kaufte eine Menge dieser Ersatzsohlen und gab sie an die Bürgerschaft ab. außer den genannten Ersatzsohlen kamen auch Holzsohlen in den Verkehr. da dieses Sohlen billig waren, sah man in Lobberich viele Leute auf Holzsohlen gehen.
Der Minister für Handel und Gewerbe ersuchte in seinem Erlass vom 6. Dezember 1916, in den Schulen auf die Zweckmäßigkeit des Sparens von Schuhwerk und Holzsohlen hinzuweisen.
die Reichsbekleidungsstelle hatte unter dem 23. Dezember 1916 Richtlinien für die Durchführung des Erwerbs, der Verarbeitung und Veräußerung getragener Kleidungsstücke und Schuhwerk herausgegeben. In diesen Richtlinien wurde angeordnet, dass alle diejenigen, die bei der Annahmestelle ein getragenes, aber noch gebrauchsfähiges Paar Schuhe oder Stiefel, deren Unterboden aus Leder bestehe, ablieferten, dafür auf Wunsch einen Bezugsschein über ein paar der in dem Verzeichnis der Luxusschuhwaren aufgeführten Fußbekleidungsstücke erhalten. Schuhe konnten nur auf Grund eines Bezugsscheines bezogen werden. Die ersten Bezugsscheine wurden ab 1. August 1916 ausgegeben.
auf an Ordnung der Reichsbekleidungsstelle duften ab Mai 1918 Bezugsscheine auf Schuhwaren nur noch in den dringendsten Notfällen, z.B. bei vollständigem Verlust sämtlichen Schuhwerks, ausgefertigt werden.
Erklärung des Antragstellers, dass für die zu versorgen der Person kein Schuhwerk mehr vorhanden war. Auf die Bedeutung der eidesstattlichen Erklärung wurde unter Hinweis auf die gesetzlichen Strafbestimmungen noch ausdrücklichst hingewiesen.


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