Artikel der Grenzland - Nachrichten

vom 11. August 1972


Freitag, 11. August 1972


Meßfeier diesmal ganz international


Viele beim Gottesdienst In der Alten Kirche

LOBBERICH. Zu einem Höhepunkt im Programm der deutsch-französischen Begegnung Nettetal-Caudebec wurde der Gottesdienst in der alten Kirche am Samstagabend. Zwar läuteten keine Glocken , aber der Schlagzeuger der im Ingenhovenpark zu hören war, lud vor Beginn des Gottesdienstes ein. Kaplan Günther meinte zu Beginn der Meßfeier: „Wir sind heute international! " Die Messe wurde zelebriert von einem vietnamesischen Priester, der in der Nähe von Saigon wohnt, zwei indischen Priestern und Kaplan Günther. Die drei ausländischen Seelsorger studieren in Rom; sie sind derzeit aushilfsweise in Grefrath, Hinsbeck und Lobberich tätig.

Kaplan Günther wies gegenüber den Franzosen zu Beginn darauf hin, daß die alte Kirche „ wie Ihre Kirche Notre Dame in Caudebec" aus dem 15. Jahrhundert stamme.

Diese Kirche wurde wie die in Caudebec im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. 1968 hätten Caudebecer und Lobbericher damit begonnen, in der Kirche fleißig zu arbeiten und sie zu renovieren. Die Lesung sprach der indische Priester in deutsch. Gepredigt wurde-vom Vietnamesen in französisch, vom Inder in deutsch. Nachdem noch einmal der offizielle Text der Partnerschaftsurkunde vom 28. Mai 1967 in deutsch und französisch verlesen worden war, sprachen die Priester auf den Sinn solcher Partnerschaften ein.

"Es gibt einen Grund dafür, daß wir hier sind. Wir sind Christen. Sie, Deutsche und Franzosen, waren Feinde, jetzt sind Sie Freunde"

Es ist ein guter Anfang gemacht, so muß es weitergehen. Wir sind hier, Sie herauszufordern. Unsere Gegenwart soll Sie daran erinnern, daß es viele Menschen , viele Völker gibt.... Echten Frieden gibt es erst, wenn das Bewußtsein vorherrscht, daß alle Menschen Brüder sind. Wir sind mit Paulus der Meinung, daß Christus mit seiner Person die Feindschaft tilgte..."

Viele junge, aber auch einige ältere Besucher feierten den modernen Gottesdienst mit: Franzosen, Deutsche und Niederländer, denn es waren einige aus Meerlo/Wanssurn gekommen, zu denen die deutschen und französischen Jugendlichen am Freitag fahren, gestalteten es so interessant, daß man die halbstündige „Verlängerung" überhaupt nicht empfand.


Nach 26 Jahren wieder alte Heimat besucht


Benno Heller war in Langwasser

LOBBERICH. „Wenn ich heute wählen müßte: unter den gegenwärtigen Umständen würde ich nicht mehr zurückkehren!" Mit einem Anflug von Resignation sagt dies Bruno Heller, Obmann von rund 700 ehemaligen Bewohnern des Dorfes Langwasser in Niederschlesien, nach einem Besuch in der früheren Heimat. Bruno Heller ist mit seinem Bruder und seinen beiden Schwägern in das heute von Polen besiedelte Gebiet gefahren. Langwasser heißt nun Chmiele.

Die Hellers waren die ersten westdeutschen Besucher, die mit Zustimmung der polnischen Regierung die Fahrt über Helmstedt, Frankfurt/Oder und Warmbrunn machen durften. Die 2000 Kilometer lange Hin- und Rückfahrt war vom Polnischen Reisebüro in Warschau arrangiert worden und erfolgte ab Helmstedt mit einem polnischen Bus.

Bruno Heller war mit 700 Mitbürgern aus Langwasser- der Ort hatte nur rund 1000 Einwohner- an den Niederrhein gekommen. Fast die ganze Gemeinde mußte 1946 über Nacht Haus und Hof verlassen. Meist waren es Landwirte, die Hab und Gut zurückließen. Heller besaß einst 32 Morgen Ackerland, dazu ein kleines Hofanwesen. Im Auftrag seiner Bekannten und auch im eigenen Interesse fuhr er in die angestammte Heimat, das Land der Väter, um sich an Ort und Stelle über die heutigen Verhältnisse zu informieren.

Seinen Hof bewirtschaftet ein verheirateter Pole mit seiner Frau im Kolchosenverband. 34 Anwesen, so Heller, seien abgebrochen und die dazu gehörenden Ländereien den verbliebenen daneben zugeschlagen worden. Die Pumpen und Wasserleitungen seien außer Betrieb; die Bewässerung erfolge ausschließlich durch Ziehbrunnen. Sein Gut habe sich in gutem Zustande befunden , aber die alten Möbel hätten auch heute noch am gleichen Fleck wie früher gestanden. Der Viehbestand sei aber gering, der Erntebestand gut gewesen. Ganze drei Traktoren hätten den Bauern zur Verfügung gestanden. Viehverkauf erfolge gegen Eintausch von Kunstdünger und Reparaturmaterial.

Sie seien bei ihren neuen „Hofbesitzern" gut aufgehoben gewesen, sagte Heller. Im allgemeinen seien die Polen gastfreundlich. Für Schokolade und Kaffee habe man sich sofort deren Gunst erwerben können. Einige Polen hätten aber auch gerufen: „Germanski raus", weil sie fürchteten, der Besuch sei ein Vorkommando für eine baldige Räumung. Der Pfarrer habe gut deutsch gesprochen und sei sehr zuvorkommend gewesen. Auf der Kommunionbank und auf der Kanzel hätten noch die gleichen Decken gelegen wie vor 40 Jahren. Die Pfarrschwester habe erzählt, sie trage ihre Kleidung bereits 33 Jahre: an eine Erneuerung sei nicht zu denken. Heller sagte, unter den heutigen Umständen würde er sich nie entschließen, wieder in die alte Heimat zuzurückzukehren.

Mit ihm sind seine Landleute der gleichen Auffassung. Sie kommen alle zwei Jahre- an die 600 aus den Kreisen Kempen-Krefeld, Geldern und Kleve - im Lobbericher Kolpinghaus zu einem Treffen zusammen.

Zuletzt waren sie im Mai 1972 hier.


Es darf mit Tomaten geworfen werden


LOBBERICH. An diesem Wochenende findet das traditionelle Sommerfest der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) am Huis Wingert in Oberbocholt statt. Es wird am Samstag um 18 Uhr mit Tanz nach heißen Rhythmen auf der überdeckten Tanzfläche eröffnet. Der Sonntag beginnt mit einem modernen Jugendgottesdienst.

Anschließend ist der so beliebt gewordene Frühschoppen. Sollte jemand etwas zu tief ins Glas geschaut haben, so kann er sich anschließend mit einer kräftigen Erbsensuppe stärken.

Ab 14.30 Uhr beginnt für die kleinen Festteilnehmer ein großer Kindernachmittag. Neben Buden, und Spielen, (Sackhüpfen und Eierlaufen) hat man sich in diesem Jahr etwas Besonderes einfallen lassen. Kinder können mit Tomaten auf die Köpfe der KJG-Mitglieder zielen. Ein besonders gelungener Treffer wird natürlich honoriert. Allerdings dürfen nur Kinder bis 12 Jahre mitmachen. Ältere sind zu kräftig und die lebendigen Zielscheiben hätten Montag geschwollene Gesichter. Während Lobberichs Jugend die Kleinen unterhält, können die Eltern bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen ausspannen.

Ab 18 Uhr darf wieder getanzt werden.

Huis Wingert ist mit dem Auto von Lobberich aus über die Landstraße nach Grefrath und die Kreisstraße 10 in Richtung Oberbocholt/Süchteln zu erreichen. Für einen Spaziergang dorthin wählt man am besten den Weg neben dem Wasserturm in Richtung Burg Bocholtz. Beide Wege sind beschildert.


Für Hallenbad einst 10 000 Mark gestiftet

Das war vor 67 Jahren / Stammtischrunde erinnerte daran

LOBBERICH. Es sei ein Skandal, meinte man auf der sehr gut besuchten Stammtischrunde im Tuddel, daß Lobberich als einzige Stadt innerhalb des Kreisgebietes noch immer ohne Hallenbad sei. Der Ruf nach einer solchen heute selbstverständlichen Einrichtung in einem Stadtteil, der doch in Nettetal dominierend sei und über alle sonstigen kulturellen Einrichtungen verfüge, könne einfach nicht mehr überhört werden.

Dazu Rektor i.R. Josef Budde: Bereits der Fabrikant Karl von der Upwich hat 1905 der damaligen Gemeinde aus Anlaß seiner Ernennung zum Geheimen Kommerzienrat 10.000 Mark als Fonds für die Errichtung eines Hallenbades in Lobberich gestiftet." Das Bad sollte an der Ecke Wevelinghover/ Graf-Mirbach-Straße gebaut werden, wo heute die Wohnblocks der Rokal-Werke stehen. Der Rat hat aber jahrelang gezaudert und dringendere Probleme vorgeschoben, bis im 1. Weltkrieg der Betrag wertlos geworden ist.

Kleinliche Sparsamkeit zahle sich nicht aus. Zwar verfüge die Stadt Nettetal über ein Hallenbad in Kaldenkirchen, das zu erreichen für die älteren Bewohner Lobberichs aber kompliziert sei. Die Stammtischrunde steht mit ihrem Wunsche gewiß nicht allein da. Noch in der letzten nicht öffentlichen Ratssitzung ist über dieses Problem diskutiert worden.

Im Laufe der weiteren Stadtentwicklung soll ein Hallenbad für Lobberich am Windmühlenbruch vorgesehen sein. Bis dieser Plan verwirklicht sein wird, werden die jetzigen Stammtischrundler aber von ihm keinen Gebrauch mehr machen können.

Budde plauderte über das Lobbericher Schulwesen in vergangenen Jahrhunderten. Er begann mit dem ersten bekannten Lehrer Aussem, der von 1537 bis 1539 in einer einzigen Klasse in Lobberichs ältester Schule im Kirchsträßchen über 90 Kinder unterrichtete. Ihm folgte Lehrer van Gorst. Ab 1693 berichten auch die Kirchenbücher über das örtliche Schulwesen, da meist Vikare mangels ausgebildeter Lehrer die Unterrichtung der Kinder vornahmen. Die Schulaufsicht übte der Pfarrer aus.

Budde nannte alle Lehrer, die in der Folge an den Lobbericher Schulen unterrichteten. Er zählt die Schulgebäude auf, die mit dem Wachsen der Bevölkerung nach und nach entständen. Als die Einwohnerzahl Lobberichs im vorigen Jahrhundert auf 7800 stieg, entstanden die „Dörper Scholl" an der damaligen Stegstraße, die Schule an der Sassenfelder Straße und die Dycker Schule.

Die bekannten Personen um die Jahrhundertwende bis zum 1. Weltkrieg waren die meisten Rundenteilnehmer noch geläufig, manche Anekdote aus dieser Zeit lebte wieder auf.

1868 wurde die Rektoratsschule ins Leben gerufen, die Schüler das Progymnasium zur Vollanstalt entwickelte. Die Höhere Töchterschule , die 1901 im jetzigen Hause Kox auf der Straße „An Sankt Sebastian" gegründet wurde, ging später in der Rektoratschule auf. An der hat auch die noch lebende Lehrerin Clementine Wiedemann (Düsseldorfer Straße) unterrichtet, Das Lobbericher Schulwesen. in ausführlicher Form wird der Bestandteil der Budde'schen Chronik sein


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