WESTDEUTSCHE ZEITUNG

Donnerstag, 31. Januar 2004


Vollendete Tatsachen durch Verkauf?

"Pro Bahn" fühlt sich ausgebremst: Die Bahn will die stillgelegte Trasse Grefrath-Nettetal abstoßen, während der Verein sich um Wiederbelebung bemüht.

Grefrath/Nettetal. "Wir sind bestürzt, dass die DB Netz AG die Schienen-Infrastruktur der Strecke Grefrath-Kaldenkirchen rückgebaut hat." Roland Stahl vom Regionalverband Niederrhein des gemeinnützigen Fahrgastverbandes "Pro Bahn" kann`s nicht fassen, denn Pro Bahn habe seit Sommer 2002 zunächst zusammen mit der IHK Mittlerer Niederrhein, dann im Alleingang ein halbes Dutzend Grefrather und Nettetaler Firmen aufgetan, die den Güterverkehr auf der Ende Oktober 2000 stillgelegten Strecke wieder aufnehmen wollten. Betreiber sollte die Bonner Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) sein. Ein Gespräch aller Beteiligten sei für den 4. Februar 2004 angesetzt gewesen. Zuletzt Ende April 2003 habe man die DB Netz über den Sachstand informiert.

Auch RSE-Geschäftsführer Rainer Bohnert zeigte sich auf WZ-Anfrage "sauer" auf die DB Netz, vermutet "konzerninternes Gerangel" und "Zuständigkeitswirrwarr: Da weiß die Linke oft nicht was die Rechte tut". Den Schuh will sich die DB Netz AG nicht anziehen. Sprecher Jürgen Kugelmann zur WZ: "Das ist ein bisschen dumm gelaufen, aber nicht von unserer Seite. Wir wissen, dass es Gespräche gab, aber bis heute sind wir nie eingeladen worden, bis heute gibt es keine konkreten Interessenten. Seit Ende 2002 haben wir kein Schreiben mehr erhalten. Die RSE haben wir Anfang 2001 angeschrieben, nie eine Antwort erhalten."

Die AG müsse wirtschaften, die Strecke nicht bis St. Nimmerlein vorhalten: "Wir wollen nicht auf der Immobilie sitzen bleiben. Gespräche kann man sich nun sparen, die Strecke reaktivieren wir nicht mehr."

Zum Hintergrund: Die Bahnlinie Kempen-Kaldenkirchen ging später ab Grefrath bis Grenzbahnhof. Personenverkehr wurde Anfang der 80er-Jahre eingestellt, Güterverkehr am 31. Oktober 2000, zu der Zeit noch von der DB Cargo verantwortet. Der Landes-Gebietsentwicklungsplan hält die Strecke als solche aufrecht, so dass Bebauung verboten ist. 2002 hat die DB Immobilien die Ladestraße zur Güterabfertigung an die Gemeinde Grefrath verkauft, Ende 2003 die Gleistrassen am Bahnhof; es laufen Gespräche über Ankauf von Restflächen. Seit Mitte 2002 ist in Nettetal die Essener Bahnflächen-Entwicklungs-Gesellschaft (BEG) zuständig. Projektleiterin Barbara Eickelkamp: "Wir haben noch keinen Quadratmeter verkauft. Demnächst sprechen wir mit der Stadt Nettetal."

Fallbeispiel: Ein halbes Dutzend Firmen von Spedition bis Produktion, einige direkt an der Strecke, haben wohl nun den Anschluss verpasst. So die Viersener Firma Dickhof (Erdbau, Abbrucharbeiten, Sand und Kies), die eine Zweigstelle in Lobberich, Im Windfang, mit 100-Meter-Bahnanschluss betreibt. Eigentümer Hermann-Josef Kohlen: "Die Strecke ist für uns nicht betriebsnotwendig, aber hin und wieder würden wir Lkw-Kilometer sparen. Als sie stillgelegt wurde, haben wir bei DB Cargo eine Sonderfahrt angefragt. Die hatte kein Interesse, trotz 40 000 Tonnen."

Für den Grefrather Autozulieferer GDX Automotive sagte Christina Ostrowski, Leiterin Logistik: "Wir wollten an dem Gespräch im Februar rein informativ teilnehmen für Transportalternativen. Konkretes Interesse gab`s nicht."

Ursachen: Neben Zuständigkeitswirrwarr bei der Bahn kritisiert Rainer Bohnert zu kurze Fristen (zwei bis drei Monate) für Übernahme-Interessenten nach Strecken-Stilllegungen. Roland Stahl glaubt: "Die DB Netz versucht mit Trickserei Wiederinbetriebnahmen zu verhindern, mit Verkauf vollendete Tatsachen zu schaffen." Denn auch nach Trassenabbau müsse die Bahn, wenn noch Besitzer, diese bei Bedarf wieder aufbauen. Muster-Prozesse hätten jedoch mal so oder so geendet. Von der IHK ("pro-Lkw-orientiert") fühle sich Pro Bahn "hingehalten und ausgebremst". Aus deren angekündigter "Aktion Pro Schiene" sei nichts geworden, man habe nur Adressen möglicher interessierter Firmen bekommen. An die Gemeinden sei man bewusst nicht herangetreten: "Die Kommunen sind klamm. Und Lokalpolitiker sind meist sowieso pro Straße."


Wo früher Loks zwischen Grefrath und Nettetal entlang rauschten,
lässt es sich heute gut spazieren gehen. Foto: Kurt Lübke


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